Bericht zu den Arbeitskreisen beim 5. BISp-Symposium
26.03.2015
Bericht zu den Arbeitskreisen beim 5. BISp-Symposium
Im Rahmen des 5. BISp-Symposiums fanden am 12.03.2015 in der Hochschule des Bundes in Brühl Arbeitskreise zu den Themen "Sportmedizin", "Informationstechnologien", "Sportpsychologie" und "Trainings- und Bewegungswissenschaft" statt.
Arbeitskreis I "Sportmedizin"Quelle: Natalia Romaonva, BISp
Im Arbeitskreis I "Sportmedizin" stellten die Referenten neue sportmedizinische Marker vor, die in jüngster Zeit für den Einsatz im sportmedizinischen Monitoring und zur Trainingssteuerung untersucht werden. Prof. Dr. Wilhelm Bloch (Deutsche Sporthochschule Köln / Leiter des Arbeitskreises) trug zur "Perspektive Epigenomforschung im Leistungsport" vor. Prof. Dr. Andreas Nieß (Universität Tübingen) zur "Metabolomik und Sport" und Prof. Dr. Dr. Perikles Simon (Universität Mainz) stellte eine "Untersuchung der qualitativen und quantitativen Veränderungen zellfreier DNA im Blutplasma" vor. Prof. Simon resümierte, dass sowohl Laktat als auch frei zirkulierender Erbsubstanz (cfDNA) unter körperlicher Belastung bis zu 20-fach ansteigen. CfDNA sei allerdings ein wesentlich komplexeres Molekül als Laktat, das über die reine Quantität hinaus auch noch qualitative Aspekte offenbart, wie z.B. die Länge der cfDNA Bruchstücke und die Herkunft (epigenetische Veränderung) der cfDNA. Seine Forschergruppe arbeite daran den Nutzen der Messungen frei zirkulierender Erbsubstanz für die Objektivierung der körperlichen Beanspruchung in unterschiedlichen Sportarten zu belegen. Prof. Dr. Bernd Wolfarth (Charite Berlin) diskutierte Genomics und Transcriptomics als zukünftige Option zur individualisierten Trainingssteuerung oder zur Talentdetektion.
Im Arbeitskreis II "Informationstechnologien" wurden in drei Beiträgen verschiedene technische Möglichkeiten zur individualisierten Trainings- und Wettkampfunterstützung präsentiert. Der erste Beitrag von Prof. Dr. Thomas Jaitner (Universität Dortmund / Leiter des Arbeitskreises) behandelte den Einsatz von Inertialmesssystemen in Kombination mit drahtloser Übermittlung und automatisierter Erfassung bzw. Darstellung von Messwerten. Das Potential der genannten Technologien wurde an zwei Projekten (Real-Time-Steuerung des Gruppentrainings im Radsport und Online-Monitoring von Leistungsparametern hochdynamischer Sprint- und Sprungbewegungen) erläutert. Das zweite Projekt, vorgetragen von Prof. Dr. Klaus Mattes (Universität Hamburg), beschäftigte sich mit der Sonifikation im Rennrudern. Hierbei werden Bewegungen in ein auditives Feedback umgewandelt und so für das menschliche Gehör wahrnehmbar dargestellt. Die Athleten haben dadurch die Möglichkeit direkt die Ausführung ihrer Bewegungen während des Trainings zu korrigieren und somit letztendlich den Vortrieb zu erhöhen. Der dritte Beitrag von Prof. Dr. Kerstin Witte (Universität Magdeburg) beschäftigte sich mit dem Thema "Einsatz von Virtual Reality im Antizipationstraining". Hierbei wurden im ersten Schritt die Vor- und Nachteile der verschiedenen technischen Möglichkeiten zur Realisierung eines VR-Messplatzes erläutert. Im nächsten Schritt wurden für das Beispiel Kampfsport verschiedene Schlüsselreize unter zeitlicher und räumlicher Okklusion analysiert und bewertet. Zum Abschluss gab es einen Ausblick zum weiteren Verlauf der Forschung und kommenden Arbeitspaketen. Somit konnte im Arbeitskreis Informationstechnologie ein breitbandiges Spektrum an technischen Möglichkeiten zur individualisierten Trainings- und Wettkampfgestaltung präsentiert und der Nutzen an konkreten Beispielen verdeutlicht werden.
Arbeitskreis III "Sportpsychologie"Quelle: Natalia Romaonva, BISp
Im Arbeitskreis III "Sportpsychologie" wurden zum einen Möglichkeiten und Beispiele für den erfolgreichen Einsatz einer regelmäßigen subjektiven Erholungs- und Belastungsmessung für die Trainingssteuerung in unterschiedlichen Sportarten diskutiert (Prof. Dr. Michael Kellmann (Universität Bochum) / Prof. Dr. Oliver Stoll (Universität Halle / Leiter des Arbeitskreises)). Zudem wurden aktuelle Forschungsaktivitäten zu Risiko- und Schutzfaktoren bei der Entstehung von Burnout und Depression im Nachwuchsleistungssport vorgestellt (Raphael Frank, TU München).
Mit viel Zeit für Nachfragen fand eine angeregte Diskussion statt. Festzuhalten bleibt, dass die vorliegenden Instrumente subjektive Erholungs- und Beanspruchungszustände sensibel, ökonomisch und praktikabel messen können und sich als Screeninginstrumente bestens für die individuelle Trainingssteuerung eignen. Die laufenden BISp-Forschungsprojekte zur Entwicklung von Frühwarnsystemen zum Screening gesundheitsschädlicher Faktoren im Spitzensport und Nachwuchsleistungssport, fördern zusätzlich die Präventionsarbeit zur Vermeidung psychopathologischer Probleme bei einer Nicht-Berücksichtigung funktionaler Belastungs- und Erholungssteuerung.
Im Arbeitskreis IV "Trainings- und Bewegungswissenschaft" erläuterte der Leiter Prof. Dr. Alexander Ferrauti (Universität Bochum) einführend vier unterschiedliche Ebenen, auf denen die Trainingswissenschaft bei der Individualisierung der Trainingsgestaltung beitragsfähig sein kann. Zu den Ebenen Trainingsinhalte, Belastungsnormativa, Regenerationsmanagement sowie Periodisierung wurden im Folgenden exemplarisch aktuelle Forschungsansätze und –ergebnisse vorgestellt.
Basierend auf Untersuchungsdaten aus dem WVL-Projekt "Regenerationsmanagement im Spitzensport" berichtete Dr. Anne Hecksteden von der Universität des Saarlandes über die Festlegung individueller Normwertbereiche sowie die individuelle Mustererkennung physiologischer Belastungsantworten zur Verbesserung der diagnostischen Sicherheit bei der Regenerationsbeurteilung. Mit Blick auf die vegetativen Belastungsreaktionen stellte Prof. Dr. Kuno Hottenrott von der Universität Halle-Wittenberg Möglichkeiten der Herzfrequenzvariabilitätsdiagnostik zur individuellen Periodisierungs- und Regenerationssteuerung vor. Anhand aktueller Forschungsbefunde an Ausdauerathleten veranschaulichte er typische HRV-Muster, die bei hoher Messwertdichte als systemisches Frühwarnsymptom für Overreaching dienen können. In einem dritten Beitrag zeigte Prof. Dr. Mark Pfeiffer (Universität Mainz), dass anhand von engmaschigen Input-Output-Betrachtungen im Trainingsprozess mit Hilfe simulativer Trainingswirkungsanalysen eine recht gute Charakterisierung und Prognose der individuellen Leistungsverläufe von Ausdauerathleten möglich ist.
Abschließend stellte Prof. Dr. Ferrauti für die komplex strukturierteren Spielsportarten beispielhaft für Fußball, Basketball und Tennis Forschungsergebnisse und Ansätze zur individualisierten Trainingsgestaltung basierend auf sportartspezifischer Differenzialdiagnostik vor.
Die vorgestellten Beispiele verdeutlichen, dass die Trainingswissenschaft an einigen Punkten auf einem guten Weg ist, individuelle Beziehungen zwischen einzelnen Messparametern und den individuellen Leistungsvoraussetzungen zu beleuchten. Zukünftige Aufgaben bestehen insbesondere darin, festzulegen, welche Parameter und Parameterkombinationen tatsächlich relevant sind und wie diese praxistauglich zu erheben sind. Zu diesem Zweck müssen allgemeine Leistungsstrukturmodelle ausdifferenziert und individuelle Modelle entwickelt werden. Hier besitzen Sportarten mit geringerem Komplexitätsgrad (z.B. klassische Ausdauerdisziplinen) Vorteile.
Die vorgestellten Beispiele machen aber auch deutlich, wie wichtig spezifische einzelfallanalytische Zugänge und die Entwicklung individualisierter Beurteilungsmaßstäbe zur Gewährleistung einer sensitiven Diagnostik und zielgerichteten individuellen Steuerung sind.
In der praktischen Umsetzung verlangt Individualisierung folglich eine hohe individuelle Messwertdichte. Das wiederum setzt einerseits eine hohe Athletencompliance voraus und geht andererseits mit erheblichem apparativem, personellem und finanziellem Aufwand einher. Hier ist eine kritische Aufwand-Nutzen Abwägung in jeder Sportart zu vollziehen. Anknüpfend an andere Symposiumsinhalte können technologische Weiterentwicklungen (z.B. wearable sensor based training) die erforderliche Messwerterfassung jedoch zukünftig möglicherweise erleichtern.
Für die Zukunft ist eine enge Zusammenarbeit zwischen Vertretern der Sportpraxis und der Wissenschaft mehr denn je unerlässlich, um die anstehenden Forschungsaufgaben zur Individualisierung unter den Prämissen Relevanz und Umsetzbarkeit effektiv zu erfüllen.
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